Anfang der 1990er Jahre war es nahezu unbezahlbar, eine „Standleitung“ zum Internet haben zu können. Zumal es damals dafür kaum eine Notwendigkeit gab, da das WWW von Tim Berners-Lee erst im Herbst 1990 „erfunden“ wurde und zunächst kaum Verbreitung fand. Usenet sowie Mail mit UUCP konnten auch sehr gut über Wählverbindungen genutzt werden.
Meine Online-Aktivitäten begannen aber nicht mit dem Internet, sondern mit Mailboxen. Ich las zunächst diverse Bücher zum Thema Mailboxen, u. a. „Elektronische Nächte – Die Welt der Mailboxen und Computernetzwerke“ von Dieter Grönling und „DFÜ und Btx – Eine Einführung in Datenfernübertragung und Bildschirmtext“ von Dirk Astrath.
Dirk Astrath war zugleich Betreiber des Funboards in Velbert, einer seinerzeit bekannten Mailbox. Jedoch wohnte ich zu weit weg von Velbert. Damals berechneten sich die Telefongebühren nach Ortszone, Regionalbereich, Fernzone. In meiner Ortszone gab es keine Mailbox, so sollte es zumindest eine aus meinem Regionalbereich sein.
So kaufte ich mir 1993 mein erstes Modem – ein „China-Billig-Import“ mit 2400 bit/s (ja, richtig, das waren 0,0024 MBit/s…), welches nur ca. 50 DM kostete, aber kein eigenes Netzteil hatte. Es gab einen Zwischenstecker-Adapter für den Tastaturanschluss zur Spannungsversorgung. Leider war der +-Pol außen am Gerätestecker und ich muss wohl nicht erklären, was passiert ist, als der nicht eingesteckte Stecker eines Tages an das PC-Gehäuse aus Metall gekommen ist…
Richtig! Mainboard = Schrott! Also musste ein neues Mainboard her (mein erstes 32-Bit-Mainboard mit VESA Local Bus). Danach gab es auch ein neues, höherwertiges Modem, welches den Rechner nicht mehr gefährden sollte.
Mit neuer Hardware ausgestattet brachte mich meine Suche nach einer geeigneten Mailbox zur ProBit BBS in Bonn. Die ProBit war über das FidoNet mit anderen Mailboxen verbunden, so dass ein weltweiter Nachrichtenaustausch möglich war. Ebenso gab es „Echomails“, vergleichbar mit den Newsgroups des Usenets. Ich fand zunehmend Gefallen an den Möglichkeiten des FidoNets, so dass ich recht schnell „Point“ wurde. Damit besteht die Möglichkeit, mit lokal installierter Software automatisiert Mails zu senden und zu empfangen (sg. „pollen“). Beim Lesen und Schreiben von Nachrichten musste man nicht mehr (teuer) online sein.
Der CCSG betrieb eine eigene Mailbox namens Flysoft BBS. Über den Computer-Club bestand die Möglichkeit, sich am Betrieb dieser im Wesentlichen von Jürgen Ohmann betriebenen Mailbox zu beteiligen, was ich gerne angenommen habe. Die FlySoft wurde auf etwa zehn Rechnern mit DOS, vernetzt mit Novell Netware 3.12 betrieben. Mit Netware 3.12 machte ich auch meine ersten Netzwerk-Erfahrungen. Vernetzt waren die Rechner physisch mit „Cheapernet“ (IEEE 802.3 10BASE2 – 10 MBit/s Ethernet mit Koaxial-Bus).
- hohe Stabilität
- präemptives Multitasking – davon war Windows seinerzeit noch meilenweit entfernt…
- volle 32-Bit-Prozessor-Unterstützung
- geringer Speicherbedarf durch Verzicht auf die grafische Oberfläche (Nutzung der IBM EWS TSHELL)
- eine Maschine reichte für bis zu vier Mailbox-Leitungen
So startete am 23.06.1995 meine eigene Mailbox Infinity BBS:
- Eine Maschine mit 486-DX/2-66 Prozessor mit 66 MHz
- IBM OS/2 mit T-SHELL als Betriebssystem (ohne grafische Oberfläche – 32 Bit-Textmodus)
- XeniaMailer 1.98/2 als Fido-Mailer
- Maximus CBCS als Mailbox-System
- FastEcho/2 als Tosser
- Zwei Analog-Leitungen mit ELSA MicroLink 14.400 bit/s-Modems
- Zwei ISDN-Leitungen mit TELES.S0 ISDN-Karte
Technologie | Rufnummer | Fido-Adresse |
---|---|---|
analog | 02224/10757 | 2:2453/777 |
analog | 02224/931965 | 2:2453/778 |
2 x ISDN | 02224/931963 | 2:2453/779 |
Im Laufe der Monate wuchs die Bekanntheit der Infinity. So erhielt sie einige Points und wurde Host oder Hub in anderen FTN-Netzten. Neben dem Fido-Netz gab es damals noch andere Netze, welche die Technologie des Fido-Netztes nutzten, so z. B. das CookNet, das TrekNet, das PCOnlineNet. Es handelte sich dabei um verschiedene Netze privaten oder kommerziellen Ursprungs die auf die Verbreitung durch private Mailboxen angewiesen waren.
Die größte Errungenschaft für die Infinity war das Erlangen eines FileServer-Status für das GFD. Das GFD-Netz (German File Distribution) wurde von IBM Deutschland betrieben, um Dateien rund um OS/2 zu verbreiten (Updates, Patches, Tools, EWS). Die Infinity war Mitte der 1990er Jahre einer von rund zehn zentralen Verteilpunkten für OS/2 in Deutschland.
Es folge eine Integration in das Usenet (den „Nachrichten-Teil“ des Internets) unter den Domänen @infinity.rhein.de und später @infinity.ndh.com. Der Datenaustausch wurde über UUCP mit der Software GIGO realisiert.
Der Betrieb der Infinity wurde am 05.07.1996 eingestellt. Grund hierfür waren die explodierenden Telefonkosten, die zuletzt 1.000 DM pro Monat überstiegen und privat für mich nicht mehr tragbar waren.
Was kam nach der Mailbox-Zeit?
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